Halsknacker by Stefan Slupetzky

Halsknacker by Stefan Slupetzky

Autor:Stefan Slupetzky
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Picus-Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kleine Geschenke der Freundschaft

Geh Ferdl, zahl mir noch eins, um unserer alten Freundschaft willen … Ob ich meine Brieftasche verloren hab? Da kann ich nur lachen … Brieftasche … Sei so gut, zahl mir noch eines, ja? Nur eins noch … Wo ich jetzt wohn, willst du wissen? Kommt drauf an. Im Sommer meistens im Stadtpark drüben, oder unten am Kanal, wo wir immer gespielt haben als Kinder. Im Stadtpark riecht’s besser, da gibt’s den Rosengarten und reihenweise parfümierte Damen, dafür ist es am Kanal unten ruhiger, und wenn’s regnet, kann ich mich unter die Brücke setzen. Jetzt im Winter bin ich am Bahnhof, Süd oder West, oder ich geh rüber ins Männerheim, auf eine Klostersuppe … Geh, zahl mir noch eines, Ferdl … Danke. Dank dir … Was hast g’sagt? Weil Weihnachten ist? Weihnachten? Dann verzicht ich. Dann kannst du dir dein Viertel in die Haar schmieren … Nein, war nur ein Scherz, ich nehm’s schon. Aber trotzdem: Komm mir nicht mehr mit Weihnachten. Nie wieder. Es ist ein einziger Fluch, dieses Weihnachten …

Wie lang wir uns nicht mehr gesehen haben? Das kann ich dir ziemlich genau sagen: zweiundzwanzig Jahre. Nach der vierten war’s, da bist von der Schule weg und hast die Fleischerlehre angefangen, im Geschäft von deinem Vater. Und der ist dann kurz darauf … Ich hab’s in der Zeitung gelesen damals. Nachträglich herzliches Beileid, Ferdl. Schlimme G’schicht … Sag, hat man die Täter eigentlich irgendwann erwischt? Nein? Furchtbar … Wenn man sich vorstellt, dass die immer noch frei herumlaufen … Na, jedenfalls haben wir uns dann aus den Augen verloren. Ich bin weiter in die Schule gegangen, und du … Aber so wie du ausschaust, hast du’s offenbar weit gebracht. Von deinem Anzug könnt ich ein halbes Jahr leben wie Gott in Frankreich …

Schon komisch, wie das Schicksal spielt. Kannst dich erinnern? Früher, in der Schulzeit, war ich es immer, der dir was spendiert hat, ein Eis oder eine Limonade … Ja, ich weiß schon, du hast ja nie ein Taschengeld gekriegt; ihr habts euch ja nichts leisten können, du und dein Vater. Sag, was ist eigentlich aus der Fleischerei geworden? Im Ernst? Die gehört immer noch dir? Und zwei Hotels? Drei Restaurants? Mein Gott, Ferdl, du hast es ja wirklich geschafft … Könntest dich schon längst zur Ruhe setzen …

Prost. Auf deinen Erfolg. Schön, einen alten Freund wiederzusehen. Kannst dich noch erinnern, wie wir damals Blutsbrüderschaft geschlossen haben, ganz wie der Winnetou mit dem alten Shatterhand? Und wie meine Mutter einen hysterischen Anfall gekriegt hat, wie sie das Blut gesehen hat? Das waren halt noch Zeiten … Auf die alten Zeiten. Prost, Ferdl.

Was aus meinen Eltern geworden ist? Na ja, mein Vater ist auch von uns gegangen, kurz nachdem ich fünfzehn war. Sein Herz hat nicht mehr mitgemacht … Und meine Mutter … Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie’s ihr geht. Sie ist, wie soll ich sagen, sehr seltsam geworden mit der Zeit. Ich hab sie … Also, kurz gesagt … Ein paar Jahre später hab ich sie einweisen lassen, in eine Nervenheilanstalt.



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